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2004

Wappen Grab

 

GEDENKMESSE IN DER ABTEIKIRCHE MARIENFELD

Mittwoch, 24. März 2004,

1. Jahrestag des Heimgangs Seiner Eminenz

 

HANS HERMANN CARD. GROËR

 

18 Priester feierten mit den Schwestern von Marienfeld

und einer großen Zahl von Gläubigen

zum Gedenken eine heilige Messe in der

Abteikirche vom Marienfeld.

 


 

Dr. Ildefons Fux
MÜhen, Seelen, Kreuze
Predigt zum ersten Jahrtag des Heimgangs Seiner Eminenz
Hans Hermann Kardinal Groër,
gehalten am 24. März 2004 in der Abteikirche von Marienfeld
Evangelium: Lk 1,26-38

Viele werden sich noch daran erinnern können, wie der Verstorbene in St. Stephan in Wien gepredigt hat: vor dem Volksaltar stehend, die Mitra auf dem Haupt, den Hirtenstab in seiner Linken, und in freier Rede, ohne sich auf ein Konzept zu stützen, zum Volk Gottes sprach. Vielen wird auch in Erinnerung sein, dass er zu Beginn seiner Homilien eine Anrede gebrauchte, die sonst selten zu hören ist. Er pflegte nämlich mit den Worten zu eröffnen: „Hochgeschätzte Teilnehmer dieser Eucharistiefeier!“, oder: „Hochgeschätzte Anwesende!“ Das Wort von der Hochschätzung war mehr als ein bloßes Wort; der Kontext seines Lebens zeigt klar, dass es die Wirklichkeit zum Ausdruck brachte, seine Ehrerbietung gegenüber seinen Mitmenschen und Mitchristen. Er neigte sich nicht nur vor den Großen, sondern ebenso vor den Kleinen, denen er nichts schuldig bleiben wollte.

Diese Dimension von Ehrfurcht und Ehrerbietung finden wir auch im Evangelium von der Verkündigung über das Geschehen ausgebreitet. Der Engel, seiner Natur nach über allen Menschen stehend, grüßt Maria, die er in der Ordnung der Gnade über sich wusste. Und er grüßt sie im Auftrag Gottes, im Gehorsam dem gegenüber, den wir als den Schöpfer aller Dinge anbeten, und so sind es die Worte Gottes selber, die der Erzengel hörbar macht, und sie bringen Maria eine Botschaft, wie sie noch nie einem Menschen gesagt worden ist. Und die seligste Jungfrau, die sich als niedrige Magd Gottes definiert, ist in Demut und Gehorsam ganz offen dafür, den Willen Gottes anzunehmen und geschehen zu lassen. Es geschieht, was wir der Einladung der Kirche folgend dreimal am Tag im „Engel des Herrn“ zu betrachten eingeladen sind: das Wunder der Inkarnation. „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“

Die großen Spirituellen der Kirchengeschichte, die Heiligen im Volke Gottes, verweilten bei diesem Geheimnis und seiner Botschaft. Gottes Sohn hat sich ganz Maria anvertraut und zu eigen gegeben. Nicht aus Notwendigkeit, sondern in der Freiheit der Liebe hat sich das Ewige Wort in seiner menschlichen Existenz ganz von Maria abhängig gemacht, und darin ist eine Aufforderung an seine Jünger enthalten, ihm auf diesem Weg nachzufolgen. Schon jetzt gilt das Wort, das der Herr nach der Fußwaschung im Abendmahlssaal sprechen wird: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben ...“ Das Beispiel Jesu nimmt die Aufmerksamkeit so vieler Heiliger ganz in Anspruch: „Ich habe den Herrn beständig vor Augen“ (Ps 16,8) – wie er in Maria lebt, wie er ganz Eigentum dieser seiner Mutter geworden ist.

Der Verstorbene ist schon frühzeitig, als Kind, eingetreten in die Reihe derer, die in Jesus Christus und mit ihm ganz Maria gehören wollten. Welch wunderbare Erfahrungen haben sie dabei mit dieser „Wunderbaren Mutter“ gemacht! Es wäre schön, könnte man sie jetzt alle befragen, ihr Zeugnis vernehmen! Aus der so großen Zahl der Söhne und Töchter Mariens soll nun eine Heilige das Wort erhalten und gleichsam auch für alle anderen sprechen; es ist die hl. Euphrasia Pelletier (1796-1868). Der Name ist uns nicht allzu geläufig, obwohl die Gründerin der Schwesternfamilie „vom Guten Hirten“ auch in Österreich durch ihre Kongregation präsent ist. Diese Tochter Mariens war ihrer geistlichen Mutter ganz und gar in größter Treue verpflichtet. Elf Jahre vor ihrem Tod hat sie diese Einheit und Gemeinschaft mit Maria erneut bekräftigt – über Einladung der allerseligsten Jungfrau hin: „Willst du dich neuerdings mir verpfänden, meine arme Magd?“ – Sie antwortete ohne zu zögern mit „O ja!“, fügte aber in der Unbekümmertheit der Kinder Gottes gleich die Frage hinzu: „Doch was gibst du mir, meine heiligste Mutter?“ Die Antwort Mariens ist von großem geistlichen Gewicht, gibt sie uns doch tiefen Einblick in die Heilsökonomie Gottes: „Mühen, Seelen, Kreuze!“

Diese Trias will tatsächlich sorgfältig bedacht werden, denn die Seelen, die im Zentrum der Aussage stehen, sind gleichsam ummantelt, umrahmt, eingehüllt von Dingen, die nicht so angenehm in den Ohren klingen, es sind die Mühen und Kreuze, die Maria denen verschafft, die sich ihr in Vertrauen und Liebe überlassen haben. Mühen – die hl. Euphrasia hat ein überaus arbeitsreiches Leben geführt, mit Sorgen beladen. Kreuze – das meint jene Heimsuchungen, die von Bitterkeit gekennzeichnet sind, denn auch das in Liebe angenommene Leiden verliert nicht den Charakter des Bitteren. Wir wissen, wie die Heilige reagiert hat:

Meine ganze Kraft liegt im Beten und Hoffen.

Welche Verleumdungen hat man nach Rom getragen! Ich entscheide mich für das Beten und Schweigen.

Schweigen, warten, leiden, hoffen,  die allerseligste Jungfrau hört nicht auf, mir diese Lehren zu geben.

Ich will lieber die Angeklagte als die Anklägerin sein ...

Inmitten von Kreuz und Mühsal, erfüllt von der Bitterkeit des Leidens, umzingelt von Schwierigkeiten sehen wir die Seelen. Es sind die Seelen der Berufenen, und Maria hat dieser ihrer Tochter eine hohe Zahl von Novizinnen zugeführt; in einem Jahr waren es einmal über 300! Ich habe sie alle am Kreuze geboren!

Die Gnade der Berufung ist die eine Sache, die Annahme der Berufungsgnade die andere. Kardinal Hans Hermann hat nie und niemals für sich in Anspruch genommen, Berufungen „hervorzubringen“, schon der Gedanke wäre ihm frevelhaft erschienen, doch er hat vielen geholfen, diese ihre Berufungsgnade anzunehmen. Es waren etwa 250 Menschen, die bei ihm diese geistliche Hilfe hatten finden dürfen, und es waren 36 Eintritte in das Stift Göttweig, die im Zusammenhang mit der Monatswallfahrt in Maria Roggendorf und im Zusammenhang mit ihm selbst standen.

So hat das Vermächtnis des Kardinals einen Namen: Es ist der Name Mariens, der über seinem Leben steht. Es ist das „Programm Maria“, das er nach der Übernahme der Geistlichen Leitung des österreichischen Senatus der Legion Mariens verkündet hat. Maria ist der Weg des Erlösers in diese Welt, und dem Beispiel des Herrn folgend sollte jeder von uns sprechen können: Ich bin ganz dein, und alles, was ich habe, ist dein! Amen