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Zeitschrift
GOTTGEWEIHT

Beiheft 19

Beiheft 19

 

 

DER UNERWARTETE

ERZBISCOF

 

 

Groërs Ernennung und Weihe

 

 

von

Ildefons M. Fux OSB


 

 

EIN WORT ZUVOR

 

Die Darstellung des persönlichen Werdegangs Kardinal Groërs soll nun mit dem Jahr 1986, dem Jahr seiner Ernennung und Bischofsweihe, fortgesetzt werden, nachdem drei Abschnitte seiner Biographie bereits vorangegangen sind: Seine Kindheit und Jugend, sein Weg zum Priestertum, die „Hollabrunner Jahre“ und sein Leben und Wirken, das von 1969 an die Mitte in Maria Roggendorf gefunden hatte (Beihefte 15, 16 und 17/18).

Das Jahr 1986 stellt auch insoferne eine Zäsur dar, da Groër nunmehr endgültig in die Kirchengeschichte Österreichs eintritt, was auch die Notwendigkeit mit sich bringt, Zusammenhänge aufzuzeigen und das Um­feld der Geschehnisse und die allgemeine Situation etwas näher zu beleuchten. Wie zuvor auf Maria als geschichtsbildende Kraft verwiesen worden ist, scheint es nun angebracht, auch auf die diabolischen Geschichtsmächte aufmerksam zu machen und dies auch schon im Hinblick auf die künftige Entfaltung des Dramas. Der Widerspruch, der Groër von Anfang an zuteil geworden ist, trifft auch den Papst und damit die Kirche insgesamt. Die Darstellung schließt mit den ersten Schritten des neuen, „unerwarteten“ Erzbischofs in den ersten Monaten seines Wirkens.

Der Historiker ist nie am Ende. Manche Quellenbestände werden noch lange „unter Verschluss“ sein, die Durchforschung der Korrespondenz Groërs wird noch viele Jahre in Anspruch nehmen. Dennoch ist zu hoffen, dass die Darstellung des Themas im vorliegenden Beiheft im Wesentlichen die Darstellung dessen ist, was war.

 


 

INHALTSVERZEICHNIS

 

Das Ende einer Ära

S. 7

Sedisvakanz

S. 23

Die Ernennung

S. 30

Reaktionen

S. 52

Der Fürst der Welt

S. 65

Von Magazinen und anderem

S. 74

Bischofsweihe

S. 85

Erste Schritte

S. 93

 

 

Verzeichnis der Namen S 113

Abküzungen und Kurztitel S. 116

 


  

Die Ernennung

Am Sonntag, dem 6. Juli 1986 um 9.00 Uhr, bestellte also der Nuntius Groër zu sich, da er mit ihm etwas Wichtiges zu besprechen habe. Der Heilige Vater wünscht, dass Sie Erzbischof von Wien werden. Dann richtete er an den Perplexen die Frage: Nun, was meinen Sie? Der Angesprochene erbat sich drei Tage Bedenkzeit und wurde zu absolutem Schweigen verpflichtet. Groër kehrte nach Maria Roggendorf zurück. Nach Ablauf der Frist teilte er Cecchini die Annahme mit; er glaube, im Wunsch des Papstes den Willen Gottes zu erkennen und versprach, das Weitere in Ruhe und Schweigen abzuwarten – bis zum Zeitpunkt der offiziellen Bekanntgabe1. Wie er später sagte, war dies die schwierigste Entscheidung in seinem bisherigen Leben2. Krätzl aber schien es, Groër habe rasch und ohne allzu große Kümmernis seine Berufung angenommen3. Vom Diözesanadministrator erfahren wir ferner, dass Johannes Paul II. öfters zu verstehen gegeben habe, und zwar zu wiederholten Malen während der Sedisvakanz, er habe die Entscheidung für Wien an sich gezogen4. Dem Papst liege die Ernennung des Erzbischofs von Wien so sehr am Herzen, dass er sich mehr als üblich in die Entscheidung einschalten werde5. Die Ernennung trägt also mehr als sonst die Handschrift des Heiligen Vaters (Otto Schulmeister)6, er hat Groër in höchstem Maße sein Vertrauen geschenkt7. Groër wird später sagen, der Papst habe es sich eben lange überlegt, weil er die Kirche in Wien liebt, in ihrer großen Bedeutung kennt, vielleicht viel besser kennt, als wir sie sehen und kennen8.

Am Dienstag, dem 15. Juli, (…) kam dann, wie erwähnt, die Bundesregierung routinegemäß zum wöchentlichen Ministerrat zusammen und erhob erwartungsgemäß keinen Einspruch gegen die Ernennung. Nun stand auch der Unterzeichnung der Ernennungsbulle durch den Heiligen Vater nichts mehr im Wege9; die offizielle Bekanntgabe durch den vatikanischen Pressesaal erfolgte am Mittwoch, den 16. Juli10. (…) Vom 16. Juli datiert auch die erste Presseerklärung, die gleich eingangs feststellt: Als katholischer Priester glaube ich, im Wunsch des Heiligen Vaters den Willen Gottes erkennen und auch annehmen zu sollen11. Wenn der Erwählte dabei von seiner totalen Überraschung spricht, die er mit allen teile, so zeigte sich einer nicht so überrascht: Exzellenz Wagner schrieb nämlich in seinem, mit dem 16. Juli datierten Gratulationsbrief: Gerne erinnere ich mich noch meiner letzten Monatswallfahrt in Maria Roggendorf; vielleicht erinnerst Du Dich noch meines ‚prophetischen Hinweises‘, dass Du der neue Erzbischof von Wien sein könntest – nun ist es Wirklichkeit geworden …12.

Am Vormittag dieses 17. Juli fand sich Groër bei Kardinal König ein, um diesen um seinen Segen zu bitten. Nachdem dieser Wunsch erfüllt worden war, kniete der Vorgänger vor seinem Nachfolger nieder und sagte: Exzellenz, jetzt müssen aber auch Sie mir den Segen geben13!

Am Nachmittag war dann die erste Pressekonferenz vorgesehen, die erwartungsgemäß auf großes Interesse stieß14. (…) Er begrüßte die Anwesenden einzeln mit Handschlag und erinnerte sich bisweilen: Du warst einmal ein Schüler von mir15!,um dann die gläubigen Christen unter ihnen einzuladen, mit ihm das Vaterunser zu beten. Man staunte nicht wenig16. Ein ungewöhnlicher Beginn für eine ganz und gar nicht gewöhnliche Pressekonferenz17. Warum er mit einem Gebet begonnen habe? Weil ich das immer so mache; warum sollte ich hier auf einmal anders handeln? Das Gebet dürfe nicht den Stellenwert des Exotischen erhalten18.

Mit dem 24. Juli 1986 datiert das Dankschreiben Groërs an Johannes Paul II., das uns im Entwurf zugänglich ist:

 

Heiliger Vater,

am Gedenktag Unserer Lieben Frau vom Berg Karmel ist mir mitgeteilt worden, dass mich Papst Johannes Paul II. zum Erzbischof von Wien ernannt hat.

Nach dem unbeschreiblichen Andrang der ersten Tage und Nächte mit all dem, was Presse und Öffentlichkeit in nah und fern mir abverlangten, finde ich heute ein wenig Ruhe, Eurer Heiligkeit zu schreiben.

Gänzlich überrascht von der Eröffnung unseres Herrn Nuntius, dass Eure Heiligkeit mich erwählten, habe ich nach drei Tagen des Bedenkens angenommen. Ich dachte an Mariens Fiat, weil ich als katholischer Priester glaube, im Wunsch des Inhabers des Petrus-Amtes den Willen Christi erkennen und nicht ablehnen zu dürfen.

So will ich, quamquam indignissimus, für das mir geschenkte Vertrauen Dank sagen. Ungezählte Gruppen und Einzelpersonen haben mich ihrer Gebetsunterstützung schon spontan versichert. So hoffe ich, dass Gottes Kraft in meiner Schwachheit zur Vollendung kommen wird.

Wie in den 44 Jahren meines priesterlichen Dienstes werde ich mich weiterhin bemühen, mit ganzer Hingabe und letztem Einsatz im Geist Mariens dem Herrn und Seiner Kirche zu dienen; und dies in unlösbarer Einheit mit dem Bischof von Rom, dem Vater aller. Wollen Eure Heiligkeit, bitte ich, trotz der Fülle der großen, schweren Sorgen des obersten Hirtenamtes, auch meiner und – unserer -, Eurer Heiligkeit bekannten Erzdiözese Wien im Gebet und Opfer gedenken.

Ich darf Eure Heiligkeit meiner, ja unser aller tiefen Dankbarkeit und meines unbedingten Gehorsams versichern: Mit den mir Anvertrauten zusammen habe ich immer in Einheit und in Treue zum Felsen Petri an der Kirche, der „Säule und Grundfeste der Wahrheit“ festgehalten und mitwirken dürfen.

Nos cum prole pia benedicat

            Virgo Maria!

P. Hermann Groër OSB

 

Bereits am 5. August bestätigte Kardinal-Staatssekretär Casaroli den Eingang dieses Schreibens: Der Heilige Vater erneuere den Ausdruck vertrauensvoller Wertschätzung, gedenke gerne in Gebet und Opfer aller Anliegen und erteile von Herzen seinen besonderen Apostolischen Segen.

 

(Michael POLZER) … Das vergess ich nie! Kardinal Dr. Hans Hermann Groër OSB, Erzbischof von Wien. Zum 70. Geburtstag am 13. Okt. 1989, S.12 (Von Groër korrigiertes, ungedrucktes Manuskript.)

2 Die Ganze Woche, 16. Feb. 1994, S.45

3 Predigt am 19. Juli 1986. KRÄTZL, Mein Leben S.59

4 Schreiben an alle Priester und Katholiken der Erzdiözese Wien zur Begrüßung des neuen Erzbischofs, 16. Juli 1986. WDBl 1986, S.74

5 KRÄTZL, Mein Leben S.58f.

6 Die Presse, 14. Juli 1986, S.1; 16. Juli 1986, S.1

7 KRÄTZL, Mein Leben S.59

8 Präsent, 25. Sept. 1986, S.7

9 Text: WDBl 1986, S.93 (lat.); S.94 (dt.)

10 L’Osservatore Romano, 17 Luglio 1986, p.1. – Avvenire, 17 Luglio 1986

11 Idu. Informationsdienst zu Ehren der Unbefleckten Gottesmutter Maria, 16. Juli 1986

12 Wagner hatte die Wallfahrt am 13. Aug. 1984 geleitet. An Groër, 16. Juli 1986

13 Hans H. GROËR, Eine reich gesegnete Zeit …, in: WKZ, 29. Juli 1990, S.1.3, hier: S.3

14 Über 60 in- und ausländische Journalisten waren gekommen. WKZ, 27. Juli 1986, S.5. – Dem ORF zufolge waren es an die hundert. „Aktuelles aus der Christenheit“, 21. Juli 1986, 19.30 Uhr, Ö1

15 Vorarlberger Nachrichten, 18. Juli 1986, S.1

16 Kathpress, 17. Juli 1986, S.1 – Die Presse, 18. Juli 1986, S.4. – Kirche bunt, 27. Juli 1986, S.12-14

17 Niederösterreichische Nachrichten, 22. Juli 1986, S.1

18 Kleine Zeitung, 20. Juli 1986, S.14

 

 

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