Zeitschrift
GOTTGEWEIHT
Jahrgang 25, 2012
Heft 1
Aus dem Inhalt:
Josef Haspel, 25 Jahre Gottgeweiht
Joachim Kardinal Meisner, Maria, das Zeichen Gottes
am Himmel für die Erde
Bischof Ägidius Zsifkovics, Der hl. Josef
und der Priester
Ildefons M. Fux, Wie es zum Gelöbnis
Kardinal Innitzers kam
Sieghard Kleiner, Gratulationsschreiben
Ildefons M. Fux, Anders als die Anderen.
Landeshauptmann Ulrich Ilg
AM BEGINN DES 25. JAHRGANGS
Kalendermacher, Tagebuchschreiber und manch andere pflegen zu Anfang ihrer Aufzeichnungen die Worte zu setzen: „Mit Gott!“ Mit Gott und für Gott wird das vergangene Jahr geschlossen und im selben Sinn das neue eröffnet. „Tu adesto!“ hatte es einmal auf einem Verlagssignet geheißen, „Sei Du dabei!“ Das gilt auch im Hinblick auf Maria, die Mutter Gottes, um deren Begleitung in den vergangenen Jahren immer gebetet wurde und deren Bildnis wir auf der Titelseite sehen können. Wie viel ist Maria zu danken, wie viel darf von ihr aber auch erhofft werden – in so schwieriger Situation, wie wir sie heute vorfinden. Doch sie ist die „Mater fortior“, die je stärkere Mutter, die ungehinderten Zugang zum Herzen ihres Sohnes hat. Nichts ist wahrer als das Wort des hl. Bernhard: Immer wird Maria Gnade finden, und Gnade ist es, was wir brauchen.
In dieser Hoffnung beginnen wir den 25., den „Silbernen“ Jahrgang unserer Zeitschrift. Möge sie vielen Hilfe sein „zur Vertiefung geistlichen Lebens“.
Maria hilft ihren Kindern,
in Christus den Weg zum Hause des Vaters zu finden.
(Sel. Johannes Paul II.)
25 JAHRE GOTTGEWEIHT
Mit diesem Heft tritt die Zeitschrift in das 25. Jahr ihres bewegten Bestehens ein. Als derzeitiger Obmann des Trägervereins „Perfectae caritatis“ sage ich Dank dem gütigen Gott, Maria, der Wunderbaren Mutter, und allen, die an „Gottgeweiht“ helfend mitgewirkt haben.
Begonnen hat alles im Jahr 1987 mit der Ernennung des jetzigen Schriftleiters P. Ildefons zum Bischofsvikar für die Frauenorden. Geistliche Hilfen für gottgeweihte Ordensfrauen anzubieten und geeignete Informationen zu geben, damit das Band zwischen Erzdiözese und den einzelnen Schwestern-gemeinschaften wie auch der Ordensfamilien untereinander gefestigt werde, - das war das Motiv für die Gründung. Möge diese Gabe unseres Bischofsvikars in den religiösen Gemeinschaften Segen stiften! Dies lesen wir als Segenswunsch des Erzbischofs Hans Hermann Groër in seinem „Zum Geleit“ vom 1. Oktober 1987.
Und die Zeitschrift entwickelte sich segensreich, so dass mit dem Ausscheiden von P. Ildefons als Bischofsvikar der Schwesternrat der Erzdiözese sein Bedauern über das Ende dieser Vierteljahresschrift 1995 kundtat. Durch das anschließende Bemühen einzelner Ordensfrauen und der Bereitschaft des „alten“ Schriftleiters, diesen Dienst weiter ausführen zu wollen, wurde der gemeinnützige Trägerverein „Perfectae caritatis“ gegründet. 1996 erschien „Gottgeweiht“ als „Zeitschrift zur Vertiefung geistlichen Lebens“ in Erweiterung des Leserkreises. Die Zielsetzungblieb freilich dieselbe, und dieser Ausrichtung ist das Blatt treugeblieben. Möge Maria, die von Gott uns geschenkte Führerin zur Vollkommenheit, die Mutter der Jünger Jesu, sich würdigen, „Gottgeweiht“ in ihren Dienst zu nehmen! Diesem 1996 geäußerten Wunsch kann ich mich dankbaren Herzens nur anschließen und bitten, der Immaculata auch weiterhin alle Bemühungen anzuvertrauen.
P. Josef Haspel OSB, Obmann
ANDERS ALS DIE ANDEREN
Landeshauptmann Ulrich Ilg (1905-1986)
Jesus wusste was sie dachten (Mt 9,4); er kannte sie alle (Joh 2,24). Für uns ist das freilich nicht so einfach, der Blick auf die Seelen, in das Innere des Nächsten, braucht Gnade und Erfahrung zugleich, doch bisweilen eröffnet sich da eine Welt voll des Friedens, eine Landschaft von unvergleichlicher Schönheit, und wir erkennen das Werk göttlichen Erbarmens. Wir staunen! Ist es nicht so, wenn uns Einblick in das Herz eines Heiligen gewährt wird? Dabei ist keineswegs nur an die Kanonisierten des christlichen Kalenders zu denken, denn wie viele Vorbildliche sind nicht zugleich auch Verborgene! Solche Entdeckungen erfüllen uns umso mehr mit Freude, wenn wir sie bei einem Politiker machen dürfen, und wir fragen voll Verwunderung: Ja, gibt es denn das? Es gibt es, und ein Beispiel dafür finden wir im Vorarlberger Landeshauptmann Ulrich Ilg, der noch der sogenannten Zeitgeschichte angehört. Dessen Leben in umfassender Würdigung darzustellen, kann nicht unsere Aufgabe sein, doch auf das Wirken der Gnade in seiner Seele aufmerksam zu machen, ist sehr wohl die Absicht der folgenden Ausführungen. Und sollte gar eine Person des öffentlichen Lebens die nachstehenden Zeilen lesen, möge er sich an das Wort Christi erinnert wissen: Geh hin und tue desgleichen! (Lk 10,37).
Ulrich Ilg, geboren am 7. April 1905 in Dornbirn-Hatlerdorf, entstammte einer traditionsverbundenen bäuerlichen Familie und war das erste von fünf Kindern. Die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes erlernte er durch Mithilfe und Beobachtung am heimatlichen Hof und ab 1920 in der landwirtschaftlichen Fachschule im Stift Mehrerau. Neue Methoden – Mechanisierung, Boden-kultivierung, Silo-Bau u.a.m. – führten bald zu einer Verdoppelung des Viehbe-standes. Zugleich ist er Mitglied der katholischen Pfarrjugend und Verantwortungsträger im „Hatler Jugendhort“. Schon im Alter von erst 22 Jahren wurde er zum Obmann des neugegründeten „Landesbauernbundes“ gewählt und erhielt Sitz und Stimme in der Parteileitung der Christlich-Sozialen. Er zählte zu denen, die von der Sozialenzyklika Pius XI. „Quadragesimo anno“ tief beeindruckt waren, und im Juli 1934 holte ihn Kanzler Engelbert Dollfuss als Staatssekretär für Land- und Forstwirtschaft in sein Kabinett. Als einer der Ersten stand er vor der Leiche des am 25. Juli Ermordeten und besprengte diese mit Weihwasser. Der Regierung Schuschnigg wollte er nicht angehören und kehrte nach Vorarlberg zurück, zurück auch in die Landwirtschaft, in der er Zeit seines Lebens verwurzelt blieb.
Er war bereits 31 Jahre alt, als er ernsthaft an eine Heirat dachte. Aufschlussreich sind seine Kriterien bei der Wahl seiner Braut: Sie sollte eine Frau sein, mit der er täglich am Morgen und am Abend beten kann. Er fand sie in einer jungen Witwe aus Braz, und am 6. September 1936 spendeten die beiden einander das Sakrament der Ehe - in der Klosterkirche Mehrerau, am Josefsaltar. Diese Ehe sollte mit zehn Kindern gesegnet sein, und Ilg hat später heftig in Abrede gestellt, dass zahlreiche Nachkommenschaft eine ungeheure Last sei: Es ist nicht wahr! Immer hat er seine Kinderschar als besonderen Segen Gottes angesehen. Schon bei der Eheschließung hatten die beiden beschlossen, nie an einem Sonntag oder Feiertag zu heuen, wenn es irgendwie möglich ist. Sie hatten diesen Vorsatz bis zuletzt durchgehalten, ohne dabei Schaden zu nehmen. Im Gegenteil! Ein besonderer Segen konnte auch in der Landwirtschaft fühlbar wahrgenommen werden.
Beim sogenannten „Umbruch“ im März 1938 suchte er, wie auch so viele andere, im Gebet Trost und Stärkung. Dass er nicht an der „Volksabstimmung“ am 10. April teilnahm, blieb ohne Folgen. Auch dass er nun an den Sonntagen die Schüleraufsicht beim Gottesdienst wahrnahm, wurde hingenommen. So war es ihm beschieden, die Jahre der braunen Diktatur relativ gut zu überstehen.
Als die Franzosen als Besatzungsmacht daran gingen, eine Zivilverwaltung einzurichten, bestimmten sie am 24. Mai 1945 den vielfach Empfohlenen zum Präsidenten des „Vorarlberger Landesausschusses“. Bemerkenswert seine erste Radio-Ansprache am 10. Juni 1945, in der er an den Wert der durchgestandenen Leiden und der noch zu bringenden Opfer erinnerte. Diese können ja zur Erkenntnis führen, dass man Gott mehr gehorchen muss als den Menschen und dass man den Nächsten auch in der Tat lieben muss wie sich selbst! Den Blick in die Zukunft richtend, sagte er mit entwaffnender Einfachheit: Ich steh und falle mit der Überzeugung: In dem Maße als wir alle das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchen, in dem Maße wird auch alles Übrige hinzugegeben werden. Er verwies darauf, dass ein guter Stern über dem Lande stehe. Ich glaube, es ist der Ruf ein Marienland zu sein. Vertrauen wir auch weiterhin auf diesen Stern. Gott schütze Vorarlberg! Mit zwei anderen Landesräten fasste er den Beschluss, jedes Jahr zum Dank für alle Hilfe und allen Segen am Rosenkranzsonntag eine Wallfahrt nach Maria Bildstein zu unternehmen, solange sie politische Verantwortung trügen. Dieses Versprechen haben wir getreulich eingehalten.
Ganz nüchtern und „Zug um Zug“ erfolgten die Maßnahmen zum Wiederaufbau des Landes, in einem guten Verhältnis zur Besatzungsmacht und ebenso unter den Parteien. Es gab da keine Gehässigkeiten, sondern ein wirkliches Miteinander. Das Ansehen Ilgs wuchs auch weiterhin, sein Wort hatte Geltung, und als Bundeskanzler Raab scherzhaft erklärte, Vorarlberg sei keine Demokratie, sondern eine „Demokratur“, ließ Ilg ein wenig „in seine Karten“ schauen: Man müsse sich bei seinen Entscheidungen zuerst von seinem Gewissen leiten lassen und erst in zweiter Linie fragen, was wird das Volk dazu sagen. Auch in der Demokratie sei man zuerst dem Herrgott gegenüber verantwortlich. Man müsse deshalb das tun, was man für das allgemeine Wohl als das Beste und Gerechteste erkennt, ohne Rücksicht darauf, ob man dafür von den Wählern gelobt oder getadelt werde. So verfocht er den Grundsatz: Was sachlich richtig ist, muss auch parteipolitisch richtig sein. Deshalb: Lest nicht so viel Zeitungen, dann werdet ihr weniger vom richtigen Weg abkommen!
In dieser Überzeugung förderte er auch die kirchlichen Belange, die Wiedereinführung von Feiertagen, den Bau von Kirchen und kirchlichen Schulen. Die Hilfe des hl. Josef ist mir wichtiger als die Sympathie der Wähler! sagte er einmal und fügte später hinzu: Diesen Ausspruch habe ich nie bereut. Welch großer Glaube spricht aus diesen Worten! Das Land förderte die Entwicklungshilfe in der Dritten Welt, die fast ausschließlich über die christlichen Missionen abgewickelt wurde. Ilg kommentierte dieses Vorgehen mit dem Hinweis darauf, dass um vieles mehr wieder als Segen Gottes auf Vorarlberg zurück geflossen sei. Ein relativ strenges Jugendschutzgesetz und der Verbot von gewissen Filmen trugen ihm so manche gehässige Kritik ein – weniger im eigenen Land als seitens kurzsichtiger Journalisten in Wien, die die Verhältnisse im „Ländle“ als lächerlich, rückständig und dumm darzustellen suchten. Lieber Unrecht leiden als Unrecht tun! Und er „predigte“ Zufriedenheit: Es gehe auch ohne Frack und Smoking, ohne Pflichtbesuche der Faschingsbälle, und für diese Entlastung waren er und so manche andere Politiker in den oberen Rängen von Herzen dankbar.
Staunen nur kann man und staunend sich freuen, wenn man Leitsätze wie den folgenden begegnet: Man sei Mandatar geworden, nicht um es schön zu haben oder berühmt zu werden, sondern, der Stimme des Gewissens gehorchend, um einen höheren Willen zu erfüllen. Er war davon überzeugt: Durch Gut-Sein gewinnt man Menschen, und hatte keine Schwierigkeit, dem weiblichen Geschlecht jene Anerkennung zu geben, die ihm zusteht:
Ihr Männer möget die Zeiten bauen,
aber es steht und fällt das Volk mit seinen Frauen.
Als er seine politische Laufbahn beendete und 1964 die Funktion des Obmanns in der Partei und die des Landeshauptmanns an Dr. Herbert Kessler übergab, bemerkte Ilg: Nie genug danken kann ich dem lieben Gott, der in Wirklichkeit doch alles gelenkt und so vieles zum Guten geleitet hat. So stehen wir nicht an, Ulrich Ilg eine Lichtgestalt christlicher Politik zu nennen und ihm viele zu wünschen, die seinem Beispiel tiefen Glaubens folgen. Ilg starb am 9. Mai 1986. Sein Grab befindet sich am Friedhof Dornbirn-Hatlerdorf.
QUELLE: Ulrich ILG, Meine Lebenserinnerungen, Dornbirn 1985